Ev. Luth. Kirchgemeinde
     Berthelsdorf-Strahwalde und Herrnhut

Ausführliche Geschichte unserer Kirche

1722 erwirbt Graf Nikolaus Ludwig von Zinzendorf Berthelsdorf und errichtet das "Schloß". Er kauft das Mittelgut und Niedergut von seiner Großmutter Katharina Henriette von Gersdorf für 26.000 Thaler. Sie hatte ihren Sitz in Großhennersdorf im Wasserschloss und Zinzendorf wuchs bei ihr von 1703 - 1710 auf bis er in das Pädagogicum nach Halle (zu August Hermann Francke - heute Franckische Stiftungen- kam). Damit ging ein lang gehegter Wunsch Zinzendorf in Erfüllung, denn er wollte gern eine Ortsherrschaft besitzen, und so seine Untertanen nach seiner christlichen Überzeugung lenken und leiten und für sie sorgen.

1722 war die Pfarrstelle vakant. Als Ortsherr hatte der Graf das Recht, einen Pfarrer hierher zu berufen. Er berief Johann Andreas Rothe in seine 1.Pfarrstelle, der bis 1737 in Berthelsdorf segensreich wirkte. Er war ein lutherischer Pietist und verstand sich mit Zinzendorf sehr gut. Er hat mehrere Lieder gedichtet. Eines finden wir in unserem Gesangbuch Nr. 354 "Ich habe nun den Grund gefunden, der meinen Anker ewig hält".
Pfarrer Rothe war ein vollmächtiger Prediger. Zinzendorf sagte über ihn: "Er predigt keinem Philosophen zu seicht und keinem Bauern zu dunkel." Seine Predigten führten zu einer Erweckung im Ort und auch aus vielen umliegenden Orten kamen die Leute, um ihn sonntags zu hören. Die Kirche war zu klein. Deshalb ließ sie Zinzendorf um die vordere Hälfte im Jahre 1724 erweitern. Man sieht es deutlich - vorn, wo die Mauern schmäler sind, wurde angebaut. Zuvor war die Kirche quadratisch, nun wurde sie rechteckig. Aus dem Jahre 1724 stammt also die äußere Gestalt unserer Kirche. Die Herrschaftsloge hat Christian David für den Grafen und seine Familie errichtet. Der Graf wohnte also von "oben her" dem Gottesdienst bei. Auch die Anordnung der Bänke (das Gestühl) und die erste Empore stammen aus dieser Zeit. Damals war die Kirche noch nicht so hell und freundlich. Die Fenster neben dem Altar und der Orgel wurden erst später reingebrochen, auch waren alles Butzenscheiben (viel dunkler) und die Kirche war blau und ocker ausgemalt. Der Rokoko-Kanzelaltar stammt aus späterer Zeit, nämlich dem Jahre 1771.

Wir fanden in unserem Archiv einen eigenhändig von Zinzendorf entworfenen Sitzplan, nach dem seine Untertanen nach Geschlechtern und sozi-alen Stand getrennt Platz zu nehmen hatten. Die Frauen (Weibsstüle) saßen unten und die Männer (Mannstüle) auf den letzten drei Reihen unten, sowie auf der 1.Empore aber nach Bauern, Gärtnern und Häuslern getrennt. Die zweite Empore wurde erst 1780 Jahre später eingebaut, als die Bevölkerung im Dorf immer mehr anwuchs.

Das Jahr 1722 war ein denkwürdiges Jahr, weil auch Glaubensflüchtlinge aus dem katholischen Mähren hier in Berthelsdorf Zuflucht suchten und fanden. Die Ortsherrschaft erlaubte es ihnen, sich auf Berthelsdorfer Flur niederzulassen. Am 17.Juni 1722 wurde von dem mährischen Zimmermann Christian David der erste Baum gefällt (an der heutigen B 178) und das ist zugleich das Gründungsdatum von Herrnhut. In Herrnhut ließen sich im Laufe der Zeit immer mehr Leute nieder. Die Hälfte kam aus Böhmen, die andere Hälfte aus übrigen deutschen Landen, weil sie hier meinten, ihren evangelischen Glauben ungestört leben zu können. Diese Einwohner Herrnhuts waren selbstverständlich nach Berthelsdorf eingepfarrt, denn es war ja alles eine Ortsherrschaft. Sie kamen Sonntag für Sonntag hierher nach Berthelsdorf in unsere Kirche. Und Pfarrer Rothe "konnte den Mähren den Hunger nach dem Worte Gottes stillen". Doch in Herrnhut herrschte in den Anfangsjahren keine innere Einheit, sondern geistlicher Hochmut, Besserwisserei und Zwietracht. Alles eskalierte im Frühjahr 1727. Der Graf, Pfarrer Rothe und Magister Schäffer aus Görlitz haben sich dieser Nöte in Herrnhut sehr angenommen. Der Graf gab seine Tätigkeit am Dresdner Hof auf, um in Herrnhut "Einzelseelsorge" zu üben und so die Zerstrittenen zu einer inneren Einheit zu führen. Das Ziel der Bemühungen fand seinen sichtbaren Ausdruck, in der Abendmahlsfeier, zu der Pfarrer Rothe den "harten Kern" der Herrnhuter am Mittwoch, dem 13.August 1727 in die Berthelsdorfer Kirche einlud. Denn es war damals nicht üblich, dass der Pfarrer mit der Gemeinde kommunizierte, sondern er ließ sich von seinem Amtsbruder aus Großhennersdorf das Heilige Abendmahl reichen. In dieser Abendmahlsfeier wurde den "Herrnhutern" die innere Einheit geschenkt und sie "lernen einander lieben". Zinzendorf selbst sprach vom 13.August 1727 von "unserem Pfingsten". Dieses Datum ist in der Losung vermerkt und es wird als die Geburtsstunde der Erneuerten Brüderunität bezeichnet. Hier wurden zunächst unbewusst alte Traditionen der Böhmischen Brüderkirche wieder lebendig und daran angeknüpft.
1727 traten in Herrnhut die "Herrnhuter Statuten" in Kraft. Jeder Einwohner Herrnhuts hatte sie zu unterzeichnen. Darin verpflichtet er sich zu einer Lebensführung nach biblischen Grundsätzen. Den Bewohnern Herrnhuts sicherte der Graf dafür enorme Vorrechte zu. Sie dürfen in Herrnhut als freie Menschen leben. "Herrnhut soll zu ewigen Zeiten von aller Dienstbarkeit, Leibeigenschaft usw. mit allen seinen statutenmäßigen Einwohnern freigesprochen sein ..." (BII S.185) Das war in damaliger Zeit ein großes Privileg. In Berthelsdorf hingegen bleibt die soziale Ordnung festgefügt. Die sozialen Unterschiede sind für die Berthelsdorfer Untertanen klar erlebbar. Ihr Leben war durch die Frondienste für die Herrschaft bestimmt. (Erst 1832 wurde in Sachsen die Leibeigenschaft/Erbuntertänigkeit abgeschafft.) Dass innerhalb von einer Ortsherrschaft mit zweierlei Maß gemessen wird, d.h., es Freie und Leibeigene gibt, musste zwangläufig zu Spannungen führen.
In den Anfangsjahren versuchte der Ortspfarrer die Mähren in die Kirchgemeinde zu integrieren. Doch deren eigne geistliche Prägung war so stark, dass eine geistliche Eigenständigkeit von Herrnhut vorgezeichnet schien. 1758 erhält Herrnhut dann diese Eigenständigkeit von der Regierung in Dresden und dem Konsistorium zuerkannt und wird eine eigene Parochie.
Bis 1913 war im Berthelsdorfer Schloss der Sitz der Unitäts-Ältesten-Conferenz (der Leitung der weltweiten Brüderunität).
Es gab also weiterhin eine enge Beziehung zwischen der Ortsgemeinde und der Brüderunität. Das fand seinen Niederschlag auch darin, dass die Kirche 1831 ihren jetzigen weißen Innenanstrich erhielt. Sie ist Ausdruck und Zeichen dieser Verbundenheit.
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